Willkommen im Dezember!
Womöglich der für mich schönste Monat des Jahres. Obwohl der Dezember ein Wintermonat ist. Und obwohl ich keine Winterliebhaberin bin. Was verwunderlich ist da ich am 1. Dezember geboren worden bin.
Mit der Kälte, dem Frost, den Zwiebelschichten an Klamotten kann ich gar nichts anfangen. Vielmehr mit dem Zauber, der dem Dezember innewohnt.
Das Gedicht der Woche „Der Dezember“ stammt aus Erich Kästners letztem Gedichtband „Die 13 Monate“.
Erich Kästner
Der Dezember
Das Jahr ward alt. Hat dünnes Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.
Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, dass man’s versteht.
Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.
Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.
Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.“
Mit dem Dezember beginnt für mich die Zeit des Rückzugs. Ich spüre, wie ich mein Tempo allmählich verlangsame. In meinem gemütlichen Zuhause ziehen kiloweise Kerzen ein. Und Kuscheldecken. Und jede Menge Teesorten. Obwohl ich eine ausgesprochene „Kaffeetante“ bin. Dass ich Tee trinke, ist für mich selbst das untrügliche Zeichen für den Beginn der frösteligen und dunklen Jahreszeit.
Dezember bedeutet für mich auch: innehalten und zurückschauen auf das gelebte Jahr. Verabschieden, was gewesen ist. Und meinen Geist öffnen für das Neue, noch Unbekannte, das auf mich wartet.
Quelle: https://weihnachten.tagesspiegel.de/dezember-von-erich-kaestner/