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Stumme Dienerin / Lockdown-Tagebuch #2

Was wir brauchen

Wir brauchen
Lust
und Lustigkeit,
Mut
und Übermut,
Wahrheit –
davon viel.

Wir brauchen
Seele
und Sorge,
Liebe
und einen Nächsten –
das Ohr auf der Brust, die Herztöne zu schreiben.


Es geht mir nicht gut.
Ich muss das so unumwunden zugeben, weil ich weiterhin glaubhaft erscheinen möchte mit meiner guten Laune.

Ich brauche den, der sein Ohr auf meine Brust legt und mir sagt, dass mein Herz schlägt. Und der in diesen einen Satz alles legt, was ich brauche, weil ich von allem zu viel und gleichzeitig zu wenig habe. „There is freedom within / there is freedom without“.

Neulich nachts hat Frau Panik vorbeigeschaut. Nachdem ich ihr klarmachen konnte, dass sie mit ihren Angstspielereien bei mir nicht landen wird, haben wir uns ganz nett unterhalten. Sie saß auf der Bettkante und betrachtete mich mit einem fast schon mütterlich-besorgtem Blick. Also ehrlich, da konnte ich nicht anders als mich ergeben: hemmungslos weinen; diesen ganzen angestauten Emo-Müll der letzten Wochen in Salz und Rotz rausschwemmen.

Unterhaltungen mit Frau Panik sind einseitig. Heißt, die Fragen stelle ich. Die Antworten gebe- ebenfalls ich.

Frau Panik übernimmt in unseren Gesprächen die Funktion der stummen Dienerin.

Sie serviert mir meine wunden Punkte auf dem Silbertablett. Ohne Vorwürfe, ohne zu beurteilen. Das überlässt sie mir.

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Mit Frau Panik zu sprechen ist quasi Selbstreflexion zum Nulltarif. Zumindest jetzt, da ich einerseits weitaus weniger Schiss vor ihrem Auftauchen und andererseits ihren Auftrag verstanden habe. Frau Panik taucht nämlich nur auf, wenn ich mal wieder versuche, alle Strippen gleichzeitig zu ziehen. Je länger der Lockdown umso krasser mein Gefühl des Kontrollverlusts umso krampfhafter mein Griff um die Fäden, die alles zusammenhalten. Stichwort für den Auftritt meiner stummen Dienerin.

„Lass los!“, sagt sie mir auf ihre sprachlose Weise. „Begreife, dass dein Wohlergehen nicht im Behalten der Kontrolle liegt. Du musst loslassen. Lerne, zu vertrauen!“.

Vertrauen ist der Schlüssel zum bewussten Kontrollverlust.

Ich möchte nicht, dass Frau Panik die Person ist, die ihr Ohr auf meinen Brustkorb legt. Doch hat sie mir mit ihren Worten die Freiheit zurückgegeben. Die Freiheit, die Zügel schleifen zu lassen oder sie in andere Hände zu geben.

Es geht mir nicht gut.
Ich kann das so unumwunden zugeben, weil meine gute Laune kein Fake ist. Sondern Vertrauen auf das Happy End.

 

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