Hallo Angst! – Ich habe eine Panikstörung

Texte zu schreiben ist eine Sache.
Diesen Text zu schreiben ist eine große Hürde für mich.
Es geht um das Thema Angst. Genauer gesagt:

Ich habe eine Panik-Störung.

Darüber zu schreiben, ist wie eine Mutprobe für mich. Wenngleich die Worte zu diesem Text in meinem Kopf munter hin- und herpurzeln- es ist nicht leicht sie per Laptop-Tastatur auf dieses elektronische weiße Blatt Papier zu bringen.

Open new document.
Wörter eintippen, korrigieren, löschen. Das Geschriebene virtuell zerknüllen und in den Papier befördern.

Meine Angst kann ich nicht löschen. Für meine Angst gibt es keine Reset-Taste. Knülle ich sie zusammen und werfe sie in den Papierkorb, faltet sie sich garantiert wieder auseinander und kommt langsam, aber sicher wieder zu mir zurück.

Zwar gehen meine Angst und ich seit anderthalb Jahren getrennte Wege. Doch am Sonntag sind wir uns wieder über den Weg gelaufen.

Hallo Angst. Da bist Du wieder. Long time no see. Nicht, dass ich Dich vermisst hätte.

frauzett-Porträt-Tulpen

Meine Panikstörung

Eigentlich darf ich sagen: ich HATTE eine Panik-Störung. Denn im Jahr 2017 war ich nach mehrmonatiger Verhaltenstherapie erfolgreich Panik-frei.

Nun also wieder. Panik-Attacken. Bei weitem nicht so schlimm wie damals. Immerhin weiß ich ja jetzt, was mir da versucht, den Verstand zu manipulieren. Doch sie sind wieder da, die Angst-Zustände und Beklemmungen. Und ich frage mich natürlich, warum?

Angst, was willst Du? Mal nach dem rechten sehen? Na schön, schau Dich um. Und dann verzieh‘ Dich wieder!

Die Angst in die Wüste schicken, ihr einen Platzverweis erteilen, sie dahin schicken, wo der Pfeffer wächst – so einfach ist das leider nicht.

Meine Panik-Störung ist eine sogenannte psychogene Störung. Das heißt, es liegen keinerlei körperliche Erkrankungen vor, welche als Auslöser für die Symptome meiner Panik-Attacken infrage kommen könnten.

It’s all in my head. It’s all in my soul.
Meine Seele sieht ihren Frieden bedroht und schickt dann ihre kleine Armee namens Panik-Attacke los, mich auf ihren Missstand aufmerksam zu machen.

Herzrasen, Atemnot, Zittern und Schwindelgefühl sind die Munition, welche meine Seele auf mich abfeuert. Eine Panikattacke ist Krieg in meinem Körper. Die schlimmste Waffe, die meine Seele dabei auf mich richtet, ist die TODESANGST. Während einer Panik-Attacke fühle ich, dass ich hier und jetzt auf der Stelle sterben werde. Ein beschissenes Gefühl. So irrational, doch gleichzeitig so real. Genau dieses Gefühl macht mir noch mehr Angst. Angst vor der nächsten Panik-Attacke.

Angst, Du isst meine Seele auf. Wie ein wildes Tier belauerst Du mich. Sobald ich Dir den Rücken zukehre, springst Du mich unvermittelt an.

frauzett-Porträt-Tulpe

Meine Angst ist der Fuchs, ich bin das Kaninchen

Wie gesagt, ich empfinde es aktuell nicht akut. Ich nehme die kleinen Panikanfälle der vergangenen Tage als Warnschüsse wahr.
Mir kommt der besorgte Ausspruch meiner Freundin in den Sinn. Sie sagte bereits im vergangenen Herbst zu mir, sie befürchtet, ich bekomme wieder Panik-Attacken. Sie äußerte diese Sorge in Anbetracht des beruflichen und persönlichen Pensums, welches ich so tagtäglich absolviere.

Und ja, das ist der Punkt. Meine langen To-Do-Listen, mein Job, meine Familie, meine Freunde, meine Interessen. Aber hey, das ist doch noch lange kein Grund, in Panik auszubrechen. Dennoch kommt sie, die Angst. Denn sie ist cleverer als ich es mir eingestehen will.

Meine Angst ist der Fuchs, ich bin das Kaninchen. Mein Körper ist der Bau, in welchem ich zitternd hocke. Ich kann nicht raus. Ich bin die Gefangene meines eigenen Körpers.

Hey Angst, schau‘ mir in die Augen! Du wirst darin kein Zögern, keine Unsicherheit entdecken!

frauzett-Auge

Der Nährboden für meine Panikstörung

Kennst Du das Gefühl, Deine Aufgaben nicht zu schaffen und Dir ständig zu wünschen, ein Tag hätte 48 Stunden?
Willst Du immer alles und vor allem allein schaffen, weil Du Dich für Wonderwoman oder Superman hältst?
Und willst Du stets alles zu jedermanns Zufriedenheit erledigen?

Aktionismus mit selbstzerstörerischer Tendenz.
Das Gefühl, etwas zu verpassen.
Perfektionismus.
Unfähigkeit, nein zu sagen.
Dies meine persönlichen ungünstige Dispositionen- der Nährboden für meine Panik-Störung. Andere Menschen bekommen Burn-out, Depressionen oder entwickeln eine Sucht. Ich bekomme Panik-Attacken.

Neumodische Lifestyle-Erkrankung

Ach, denkt sich der eine oder die andere nun vielleicht, so eine neumodische Lifestyle-Erkrankung. Irrtum! Meine erste Panik-Attacke hatte ich mit 13 oder 14 Jahren. Damals wusste ich nicht, was da mit mir passierte.  Ich habe einfach keine Worte über meine Angstzustände verloren. Die fehlten mir dazu schlicht. Was hätte ich sagen sollen über etwas, dass sich vollkommen absurd und unwirklich anfühlte?

Im Prinzip hat sich daran bis heute nicht viel geändert. Angst kennt jeder, hat jeder. Übersteigerte Angst, gar Panik kennen die wenigstens.

Diese Angst- oder Panik-Gefühle  kann man von außen nicht schmecken, nicht riechen, nicht sehen, nicht hören. Das macht die Panik-Störung für Außenstehende so schwer nachvollziehbar.
Wie oft sagt man salopp „da krieg‘ ich die Panik“, um der eigenen Ängstlichkeit vor etwas Ausdruck zu verleihen. Doch die wenigsten, die diesen Spruch benutzen, werden schon einmal während der rush hour auf der Golden Gate Bridge am Steuer eines Autos sitzend zitternd und hyperventilierend mit Todesangst gerungen haben.

frauzett-Porträt-Tulpen

Die Angst in den Griff kriegen

Angst zu haben ist unangenehm, doch keine Schande. Und das Beste ist, dass man die Angst in den Griff kriegen kann.

Eine Verhaltenstherapie hat mir aufgezeigt, wo in meiner Persönlichkeit die Knackpunkte für das Auftreten der Panik-Attacken liegen. Meine Aufgabe besteht darin, mich täglich in Rücksichtnahme und Wertschätzung mir selbst gegenüber zu üben. Keine leichte Übung für eine Perfektionistin wie mich.

Doch je mehr ich mich selbst WERTSCHÄTZE umso weniger Nährboden hat die Panik. Und bleibt, wo der Pfeffer wächst!

Hey Angst! Nett, dass Du vorbeigeschaut hast.

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Bianca Kluge
    1. März 2019 9:01

    Was für ein beeindruckender Text!! Hoffentlich lesen ihn ganz viele Menschen und finden den gleichen Mut wie Du, zu sprechen und sich Hilfe zu suchen. Ich bin für Dich da, das weißt Du ja.

    Antworten
    • Katja Zielinski
      3. März 2019 8:57

      Liebe Bianca, vielen Dank. Genau aus diesem Grund rede ich über Angst und Panikstörung. Damit sich andere Betroffene nicht verstecken damit. Und auch, weil ich meinen Teil zur Aufklärung über diese Störung beitragen möchte. Wir meinen, in einer aufgeklärten Welt zu leben. Und trotzdem werden Menschen mit psychischen Störungen/ Erkrankungen noch immer „schief angeguckt“. Das muss sich ändern.

      Antworten

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